Burnout ist vergleichbar mit Wert- und Sinnentleerung
Der Begriff Burnout (ausbrennen) ist zum Unwort verkommen, das meistens mit Arbeitsüberlastung verwendet wird. Viele berufsbedingte Erschöpfungszustände und arbeitsbedingte psychische Beschwerden oder psychosomatische Symptome werden in den schwer definierbaren Topf von Burnout geworfen.
Manchmal auch zu Unrecht. Burnout zu diagnostizieren ist auch ein heikles Unterfangen, da es verschiedene Diagnosen des Burnouts gibt und die Symptome nicht einheitlich gefasst werden können.
In diesem Blog wird der Versuch unternommen, welche Wurzeln dem Burnout zugrunde
liegen und wie es kommt, dass die einen die hart arbeiten überhaupt nicht Burnout gefährdet sind, während andere die eine ähnliche Arbeitsbelastung aufweisen, in einen solchen Erschöpfungszustand fallen.
Ich werde dabei vier Thesen bilden, die ich hauptsächlich von Alfred Längle (Psychotherapeut) entlehnt und persönlich erweitert habe. Zum Abschluss erhalten Sie eine Faustregel mit einem integrierten Test, mit dem Sie Ihre eigene Burnout Gefährdung ermitteln können.
Begriffsdefinition unter existenzanalytischen Gesichtspunkten
Unter Burnout verstehen wir einen meist arbeitsbedingten anhaltenden Erschöpfungszustand. Dieser ist das Leitsymptom und durchgängige Charakteristikum des Burnouts, von dem alle anderen Symptome abgeleitet werden können.
Der Erschöpfungszustand betrifft zunächst das Befinden und beeinflusst in unmittelbarer Folge das Erleben, später dann auch Entscheidungen, Einstellungen, Haltungen und Handlungen. Die Erschöpfung umfasst folgende drei Dimensionen des Mensch-Sein:
- Somatische Dimension: körperliche Schwäche, funktionale Störungen (z.B. Schlaflosigkeit) bis hin zu Krankheitsanfälligkeiten.
- Psychische Dimension: Lustlosigkeit, Freudlosigkeit, emotionale Erschöpfung, Reizbarkeit. Persönliche sowie finanzielle Vorsorge im Hinblick auf die Pensionierung.
- Noetische Dimension: Rückzug von Anforderungen und Beziehungen, entwertende Haltungen zu sich und zur Welt.
Eine solche anhaltende Störung des Befindens ist ein Erlebnishintergrund, der alle weiteren Erfahrungen massiv einfärbt. Das Erleben von sich selbst und der Welt ist durch das anhaltende Ausbleiben der somato-psychischen Kraft (vitalen Kraft) von einem Gefühl der Leere gekennzeichnet, das mit einer unehmenden geistigen Orientierungslosigkeit einhergeht.
Zur Leere gesellt sich daher früher oder später ein Sinnlosigkeitsgefühl, das sich auf immer mehr Aspekte des Lebens ausweitet (von der Arbeit auf die Freizeit und Privatleben) und schliesslich das gesamte Leben erfasst.
Existentieller Sinn und Schein-Sinn: Die Wurzeln von Vitalität oder Burnout
Wie kommt es denn zum Absterben dieser vitalen Kräfte? Wo liegt der Fehler? Warum bekommen andere Menschen, die auch viel leisten, kein Burnout? Man kann das Burnout auch als ein Defizit an einem echten existentiellen Sinn ansehen. Ein existentieller Sinn hat die Charakteristik, dass er zu innerer Erfüllung führt. Eine solche hält auch bei sich einstellender Müdigkeit und Erschöpfung an, weil der Bezug zu sich selbst und die erlebte Freiwilligkeit der Tätigkeit im Empfinden immer präsent bleiben. Ein Leben, das jedoch nur einem scheinbaren Sinn nachgeht (wie z.B. das ausschliessliche verfolgen der eigenen Karriere, der sozialen Akzeptanz und ähnlichem), geht erlebnismässig ins Leere. Ein solches Leben wirkt kräfteraubend, erzeugt Stress. Statt der Freude am Geschaffenen wird bestenfalls Stolz für die Leistung empfunden. Stolz aber nährt nicht und wärmt nicht. Selbst Erholung und Entspannung ersetzen dann nicht die Leere, in die man sich täglich aufs Neue hineinmanövriert.
Anbei werden Ihnen den existenziellem Sinn und den scheinbaren Sinn mit ihren psychischen Auswirkungen gegenübergestellt.
Dem Menschen mit einem Burnout fehlt der existentielle Sinn für sein Handeln. Was dadurch zu kurz kommt, ist die personale Erfüllung. Burnout kann daher als eine Störung der Befindlichkeit bezeichnet werden, die aus einem Erfüllungsdefizit entsteht.
Erfüllung kann definiert werden als Resultat eines Lebens für oder einer Realisierung von subjektiv empfundenen Werten.
Die „Hingabe“ an solche als attraktiv, interessant oder wichtig empfundenen Werte ist begleitet von einer „Rückgabe“ an die Person – sie erhält dafür die Erfüllung aus einer sinnvollen Orientierung.
Vier Thesen, warum Burnout auch Sie treffen könnte
These 1
Das Burnout ist der Endzustand von lang andauerndem Schaffen ohne Erleben.
Oder anders gesagt:
Echte Erfüllung in der Arbeit ist der beste Burnout–Schutz. Solange jemand mit Freude und Interesse an einer Sache arbeitet und dies erleben kann, läuft er nicht Gefahr, in ein Burnout zu rutschen, sondern ist auf dem Weg einer sinnvollen und erfüllenden Existenz.
Burnout bedrohte Menschen arbeiten nicht (oder nicht mehr) für die Sache, bzw. die Aufgabe, sondern z.B. hauptsächlich für die Karriere, dem Einfluss, dem Einkommen, der Anerkennung, der sozialen Akzeptanz, der reinen Pflichterfüllung oder der Erledigung von Sachzwängen, von denen man sich befreien will.
Menschen und Aufgaben sind in oben genanntem Kontext im Grunde sogar austauschbar – denn es geht um das Tätigwerden und nicht um den Wert des Objekts. Die Zuwendung ist daher keine echte, offene, sondern eine Scheinzuwendung. Die Arbeit geschieht nicht weil die Sache ein Anliegen ist, sondern eben aus sachfremder Motivation.
These 2
Burnout entsteht nicht durch inhaltliche, sondern durch formale Motivation (= aufgabenfremde, letztlich selbstbezogene Motive) und führt zu einer Scheinzuwendung.
Die Person erlebt sich dabei weniger „angezogen“ von einem Wert als „getrieben“ oder zur Tätigkeit „gedrängt“. Dies kommt dem „Schein-Sinn“ gleich. (Siehe auch Gegenüberstellung existentieller Sinn / Schein-Sinn).
Man arbeitet bis zur Erschöpfung, um etwas ausserhalb von sich zu erlangen (Status, Geld, Einfluss, höhere Position, etc.) oder um eine innere Bedürftigkeit zu kompensieren (Angst vor dem alleine sein, sich wertlos vorkommen, jemanden etwas beweisen wollen, etc.).
Die formale Motivation (äussere wie auch innere Bedürftigkeit) nährt nicht, sie brennt einem förmlich aus. Der Grund ist, dass die formale Motivation nur zu einer kurzfristigen Befriedigung der Motive führt. Nach kurzer Zeit der Befriedigung kommt das Bedürfnis noch mehr von dem zu erlangen, was man schon hat. Und dies ist eine Endlosspirale, die nur eine Richtung kennt, nach unten! Die Halbwertszeit der Befriedigung eines Motivs verkürzt sich zunehmend. Und das führt irgendwann zur unwiderruflichen Erschöpfung.
These 3
Burnout und Stress entstehen durch ein Leben ohne innere Zustimmung zum Inhalt der Tätigkeit.
Wenn der Mensch über längere Zeit einer Tätigkeit (etwa einem Beruf) nachgeht und Zeit dafür aufwendet, ohne eine innere Beziehung dazu aufgebaut zu haben, also den Eigenwert der Aufgabe nicht sieht, ihrem Inhalt deshalb nicht zustimmen kann, sich ihm daher nicht wirklich hingeben kann, dann muss sich zwangsläufig eine innere Entleerung, eine Art „vor-Depression“ einstellen, weil ja kein (dialogischer) Austausch stattfindet, in welchem der Mensch nicht nur gibt, sondern auch erhält. So kommt es zur Bedürftigkeit und Bedarf, Erfüllen und Erfüllung, Ziel und Wert.
Der zielorientierten, nicht existentiellen Lebenshaltung, der Tätigkeiten untergeordnet zu sein, stellt ein Leben in einer distanten Position dar. Man hält sich fern, geht eigentlich keine Beziehungen ein, wenn man die innere Zustimmung zur Sache nicht gibt wodurch eine Art „emotionaler Tod“ eintritt.
Die Arbeit wird unlebendig, „tödlich“, wird leerer Ersatz für die fehlende Nähe und das ausbleibende Berührt sein.
Die Beziehungslosigkeit ist der eigentliche Schaden, den die Person mit ihrer Haltung sich selbst und der Umgebung zufügt. Dieser Schaden bleibt nicht ohne Folgen. Wie alle Störungen auf der Beziehungsebene mündet auch diese in den depressiven Formkreis. Das Burnout ist eine Art Erschöpfungsdepression, die durch den langsamen Verlust von Lebens-Werten entsteht.
These 4
Burnout ist die psychische Rechnung für ein schon lange verfremdetes, beziehungsarmes Leben.
Ein Leben mit grossem Einsatz in Beziehungsarmut gelebt, führt, wie gesagt, zu dem eingangs beschriebenen Defizit an Erleben von Werten und damit zu einer zunehmenden Leere und Unzufriedenheit (psychische Frustration), die dann als Schutzreaktion einen Widerwillen auslöst.
Therapie und Prävention von Burnout
Therapie und Prävention des Burnouts haben natürlicherweise in erster Linie die situative Entlastung des «erlebten Burnouts» im Visier.
Üblicherweise werden personenbezogene, organisations- sowie institutionsbezogene Strategien überlegt. Dazu gehören vor allem verhaltensorientierte Massnahmen wie Abbau des Zeitdrucks, Delegation und Teilung von Verantwortung, Festlegen realistischer Ziele, das Besprechen normativer Vorstellungen, schädigende Glaubenssätze und Denkmuster (z.B. ich schaff diese Arbeit einfach nicht mehr, ich bin zu alt dazu), das Ausfindig machen fehlender Informationen und Strategien zur Verbesserung der Arbeitseffizienz, wobei die Supervision oder Coaching und die Bearbeitung von Teamkonflikten im Vordergrund stehen. Schliesslich werden auch die Behandlung fehlender Autonomie sowie Autoritätskonflikte angegeben.
Der Gefahr, durch erlebnisarme Pflichterfüllung auszubrennen, kann vorgebeugt werden. Eine pragmatische Faustregel lautet:
Wer mehr als die Hälfte der Zeit mit Dingen beschäftigt ist, die er nicht gerne tut, nicht mit dem Herzen bei der Sache ist oder keine Freude hat, der muss früher oder später mit einem Burnout rechnen!
Zwar ist Burnout ein Modebegriff, doch ist er dies nicht ungefähr, beschreibt er doch ein typisches Symptom unserer Zeit. Diese Zeit ist nicht nur von Hektik, Vielfalt und Leistung geprägt, sondern auch durch Beziehungslosigkeit (oder zumindest eine Verarmung von soliden Beziehungen) und Unverbindlichkeit im Dienst der Leistungsmaxime.
Burnout kann daher als Rechnung gesehen werden, die wir für ein verfremdetes, von unserer menschlichen (existentiellen) Wirklichkeit abgehobenes Leben präsentiert bekommen, das vom fordernden Charakter und Konsumgeist der Zeit geprägt ist.
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Über den Autor
Hanspeter Fausch
Als ausgebildeter Betriebswirtschafter in der inter-nationalen Geschäftshotellerie, war ich schon immer kundenfokussiert. Mit der Ausbildung als Organisationspsychologe erlernte ich die vertieften Zusammenhänge zwischen Menschen und seinen umliegenden Systemen. So können tragfähigere Lösungen zu anstehenden Fragestellungen erreicht werden.