Martin, du bist Innovator, Provotainer und Keynote Speaker. Wie verbindest du diese Tätigkeiten miteinander und was ist ein Provotainer?
Wenn 300 Menschen vor dir sitzen, muss kein einziger von ihnen zuhören. Menschen sind zu 100 Prozent mit ihrem eigenen Alltag ausgelastet, denken an anstehende Aufgaben im Job, die Einkaufslisten am Abend, Geburtstagsfeiern und den letzten Sex. Mit dieser Fülle an Gedanken konkurrieren alle Inhalte bei Seminaren und Vorträgen. Daher sind meine Vorträge voller Bilder, Geschichten und Provokation. Ich überrasche mit erstaunlichen Fakten, steige auf Leitern, und zusammen sprechen wir den Schwur der Spinner. Ich provoziere und entertaine, damit Inhalte hängenbleiben.
Kürzlich ist dein drittes Buch, «Rock your Work» erschienen? Ein Buch, mit Beispielen und Geschichten aus diversen Branchen, das aufzeigen soll, wie vielfältig und spannend Arbeit ist. Was ist deine Vision im Hinblick auf die Arbeitswelt von morgen?
Mit 461 Beispielen zeige ich, was Menschen und Firmen bereits anders, menschenfreundlicher und gesünder machen. Das sind 461 gute Nachrichten mit den Quellen, so dass jeder das Gute kopieren kann. Es ist für mich beeindruckend, was alles bereits getan und umgesetzt wird.
Meine Vision für das Zusammenleben und auch für die Arbeitswelt ist echte Vielfalt. Jeder Mensch ist einmalig. Es ist eine große Abenteuerreise, wenn wir bereit sind, von jedem Menschen etwas Neues zu lernen. Vielfalt bedeutet, Unterschiede anzuerkennen. Echte Unterschiede bringen Konflikte mit sich. Wenn alle einer Meinung sind, stelle ich die vorhandene Vielfalt in Frage. Die entscheidende Zutat zum konstruktiven Austausch ist Respekt. Meine Vision ist wachsender Respekt für Unterschiede und konstruktive Dialoge für konstruktive Taten.
Martin, welche Rolle spielen deiner Meinung nach Weiterbildung und Umschulung von berufstätigen Menschen und wie siehst du die Zukunft darin?
Mit der schnellen Veränderung der Welt durch 7,8 Milliarden Menschen verändern sich auch Berufe immer schneller. In Rock Your Work beschreibe ich 22 Berufe, die wir brauchen wie Prototyperinnen, Prototyper, Empathisten, Empathistinnen und Tech-Tourguides. Zwischen Idee und Markteintritt liegt das Experiment. Um teure Fehlversuche zu vermeiden, wird mit einfachen Mitteln getestet. Mit Prototyping und Pilotversuchen wird die Resonanz erlebt. Diese Fähigkeit ist noch nicht weit verbreitet und kann mit einfachen Mitteln gelernt werden.
Die Suche nach passenden Teammitgliedern ist ein zentraler Schlüssel zum Erfolg von Projekten und Unternehmen. Empathistinnen und Empathisten sind Teamaufbau-Profis. Sie casten Menschen für offene Rollen im Team zusätzlich zu den Fähigkeiten und Kompetenzen.
Sie erkennen hochsensible Menschen, Macherinnen, Umsetzer, Perfektionistinnen und Visionäre und können sie passend einsetzen. Aus „gleich und gleich gesellt sich gern“ wird produktive Vielfalt. Technologische Entwicklungen verstärken sich gegenseitig, das Innovations-Karussell dreht sich immer schneller. Immer mehr technische Geräte und technologische Anwendungen werden immer vielfältiger kombiniert. Tech-Tourguides werden Menschen und Firmen branchen- und anbieterübergreifend in aktuelle Technologien einführen.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Skills im heutigen Berufsleben?
Echte Vielfalt bedeutet, dass respektvolles Zuhören, Nachhaken und Vertiefen wichtige Skills werden. Respekt bedeutet nicht, allem zuzustimmen. Das Bilden einer eigenen Meinung, ist ein wichtiger Skill. Dazu gehört auch die Unterscheidung verschiedener Entwicklungsstufen: Ideen spinnen, Prototypen bauen und Ideen erlebbar machen, neue Spielregeln zu definieren, Mitspielerinnen und Mitspieler zu gewinnen und Neues zu etablieren. Der professionelle Schnitt von Obstbäumen und Weinreben will gelernt sein. Genauso braucht es Profis, um in Unternehmen Altes zu streichen und so Platz für neue Möglichkeiten und Kombinationen zu schaffen. Den Überblick zu behalten und Aufgaben abgeben zu können, sehe ich auch als zwei wichtige Skills.
Wenn du dich auf nur einen Skill fokussieren müsstest, welcher wäre das?
Ideenfitte Handlungsfähigkeit ist die Fähigkeit, gekonnt flexibel zu reagieren, Ideen zu generieren, sie zu testen und umzusetzen. Ich nenne dieses trainierbare Handwerk: streichen, ersetzen, steigern, vertiefen, übertragen und neu kombinieren. Insgesamt sind es 18 Handwerkszeuge. Übertragen bedeutet zum Beispiel, den bewährten Zementsack für die Tiefkühlkost von Frosta zu nutzen. Nun hat Frosta Plastik-Beutel ersetzt mit Papierbeuteln. Städte nutzen die Vorteile eines Schwamms. Ein normaler Zelluloseschwamm kann das 20-fache seines Eigengewichts an Wasser aufnehmen. Nun werden die Eigenschaften von Schwämmen auf Städte übertragen, damit kein Regenwasser mehr verloren geht. Wannenförmige Mulden und begrünte Dächer fangen Regen auf und speichern ihn. Gestrichen wird in immer mehr Firmen ein Arbeitstag, die 4-Tage-Woche steigert Gesundheit und Produktivität.
Welche 3 Ratschläge würdest du einem jüngeren Menschen auf seinem Lebensweg mitgeben?
Werde Ja-Sagerin und Ja-Sager zu Chancen. Die Griechen kannten zwei Zeitdimensionen: Chronos – chronologisch, strukturiert – und Kairos – die zufällige Gelegenheit und die überraschende Chance. Ein Freund fragte mich 1999, ob ich mit ihm die Firma «Knack die Nuss» gründe. So wurde ich Unternehmer. Inzwischen habe ich mehr als 60 Arbeitsplätze geschaffen. In meiner High School in Phoenix, Arizona, durfte ich beim Schultheater vorsprechen und bekam eine Hauptrolle. Inzwischen stehe ich rund 80 Tage pro Jahr auf Bühnen. Man weiß nie vorher, was Kairos bringt. Daher mein Rat: Ausprobieren und selbst erleben. Danach kann man immer noch nein sagen, wenn es nicht passt.
Du bist ein vielbeschäftigter und erfolgreicher Geschäftsmann. Nehmen wir an, du hättest eine Woche Zeit für dich, und hättest die Möglichkeit einen neuen Skill zu lernen, was wäre das für einer?
Ich bin Fan von Elektromusik wie Moderat, Grimes und Howard Jones. Ich würde die Woche nutzen, um das Mixen von Musik zu lernen. Ein weiterer Skill, den ich lernen will, ist ein Verständnis für digitale Rechte und Tokens wie NFTs. Diese Kenntnisse will ich dann übertragen auf Ideen und Businessentwicklung.
Martin, lass uns einen Blick in die Zukunft wagen – Wie sieht für dich die Zukunft von Lifelong Learning aus?
Lernen ist die Voraussetzung, um mit Veränderungen Schritt halten und um den Wandel mitgestalten zu können. Wenn meine These stimmt, dass sich das Tempo des Wandels erhöht, dann brauchen wir auch ein neues Tempo beim Lernen. Die eine Möglichkeit ist dabei, in Schockwellen zu lernen, also viel auf einmal, wenn es brennt. Oder wir lernen täglich etwas.
Jeder Mensch verliert täglich 10-14 Gramm Haut, und diese wächst nach. Auch alle Zellen und Organe erneuern sich regelmäßig bis wir sterben. Für mich ist das ein Vorbild für lebenslanges Lernen. Regelmäßig ein bisschen, damit wir aktuelles Wissen integrieren, ohne überfordert zu werden.
Welche 3 ausserirdischen Super-Skills hättest du gerne und warum?
Erster Skill ist fliegen wie ein Adler. Viele Astronauten sagen nach dem Flug zur ISS oder zum Mond, wie beeindruckt sie sind von der Erde und wie ihre Demut wächst.
Zweiter Skill wäre das Beenden der Lebensmittelverschwendung. Die Erde produziert bereits heute genug Essen für alle Menschen. Doch wir verfüttern zu viel Weizen und Soja an Tiere, um dann Tiere zu essen, statt Menschen direkt mit Lebensmitteln zu versorgen. Außerdem würde ich das Wegwerfen guten Essens verbieten.
Dritter Skill wäre das Anstiften eines universellen Zuhören Wollens mit positiv-optimistischem Interesse an anderen Menschen.
Welche grosse Persönlichkeit (z.B. aus der Wissenschaft, Literatur, etc.) würdest du gerne treffen/oder hättest du gerne getroffen (falls sie nicht mehr am Leben sind) und warum?
Ich würde gerne mit Nikola Tesla zusammenarbeiten und im Team von Thomas Edison mitarbeiten. Ich würde gerne deren Techniken erleben, die zu Tausenden Patenten geführt haben. Thomas Edison war kein Einzelkämpfer, eins seiner Erfolgsfaktoren war das Team.