Transformative Herausforderungen
Die (digitale) Transformation verändert die Arbeitswelt nachhaltig. Manche Jobs werden überflüssig, gleichzeitig entstehen völlig neue Berufsbilder. Die Arbeitsmärkte und ihre Hauptprotagonisten stehen deshalb vor einer Skilling-Revolution. Das Re- und Upskilling von berufstätigen Menschen gewinnt exponentiell an Bedeutung. In dieser neuen Welt sind die Skills zur bestimmenden Währung geworden. Die Digitalisierung verändert zudem grundlegend, wann, wo und wie wir lernen. In den letzten Jahren ist die Menge an Weiterbildungsangeboten und -formaten weltweit explodiert.
Diese neue Ära hat auch zu einer Lerner-Revolution geführt. Menschen wollen mehr Kontrolle über ihr Lernen erlangen. Es findet ein Trend zur Demokratisierung und Individualisierung des Lernens statt – die Lernenden nehmen ihr Skills-Schicksal selbst in die Hand und nutzen eines der vielen neuen Lernformate (z.B. Online-Kurse und Video-Tutorials).
Eine der grössten Herausforderungen im Bereich Personalentwicklung ist daher, die Skills der Mitarbeitenden mit den neuen Herausforderungen und Unternehmenszielen in Einklang zu bringen – und zugleich einen individuellen Zugang zu Re- und Upskilling zu gewährleisten.
Systematische Ansätze
Viele Unternehmen beschäftigen sich systematisch mit diesen Herausforderungen. Der Fokus der Lösungsansätze liegt oftmals bei der Auswahl und Implementierung von People-Analytics-Tools in Kombination mit eigenen Learning-Management-Systemen. Als Resultat dieser Massnahmen werden meistens standardisierte Lernpfade für Jobprofile eingeführt.
Die Lerninhalte bei solchen Lösungen beschränken sich dabei oft auf niederschwellige Tutorials, Fachartikel und – videos in Kombination mit internen Weiterbildungsangeboten. Weiter gehende Weiterbildungsformate mit oder ohne formalen Abschluss sind in solchen Lösungen kaum integriert. Der Fokus bleibt somit stark nach innen gerichtet: interne Entwicklungspfade, interne Lernangebote und interner Erfahrungsaustausch. Es gibt kaum Interaktion über die Unternehmensgrenzen hinaus. Erkenntnisse aus dem Markt fliessen oft nicht systematisch in die Personalentwicklungsmassnahmen ein. Eine Interaktion der Mitarbeitenden mit Peers aus der Branche kann so auch nicht stattfinden. Den Mitarbeitenden wird somit ein grosser Teil der externen Bildungslandschaft vorenthalten.
Unterschiedliche Lerntypen
Auch wenn einige Lösungen im Bereich People Analytics zumindest im Skill-Assessment beim Individuum ansetzen: Am Ende werden lediglich grobe Skill-Lücken identifiziert und mit generischen Weiterbildungsmassnahmen adressiert. Die Skillentwicklung von Mitarbeitenden ist aber nicht standardisierbar. Zu unterschiedlich sind die Individuen bezüglich ihrer Ziele, Lernstile und ihrer privaten und beruflichen Situation. Wie unterschiedlich die Ausgangslage der Mitarbeitenden ist, zeigen folgende generalisierte Beispiele aus dem Alltag deutlich:
Die digitale Skill-Seekerin: Einige Menschen brauchen für die Lösung eines Problems oder für ein Projekt einen gewissen (digitalen) Skill. Es geht hier um einen konkreten, kurzfristigen Bedarf. Diese Menschen verfolgen ihr Lernen selten langfristig strategisch. Die Frage ist hier eher: Ich muss diese Sache erledigen, aber ich bin mir nicht sicher, wie ich das am besten angehen soll.
Das potenzielle Transformations-Opfer: Er ist sich bewusst, dass er an seinen Skills arbeiten muss, um seine Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten. Er nimmt bereits starke Indizien wahr, dass es seinen angestammten Job in dieser Form in Zukunft nicht mehr geben wird. Er weiss, dass er selbst aktiv werden muss, aber er weiss nicht, wie er das anpacken soll. Vermutlich muss er den Job wechseln. Ein standardisierter Lernpfad auf bestehenden Jobprofilen hilft ihm nicht weiter, da dieser seine persönliche Situation nicht ganzheitlich betrachtet.
Die Lifelong Learnerin: Sie ist eine Person mit einem hohen intrinsischen Drive, Neues zu entdecken. Sie betrachtet Veränderungen als Chance und strebt regelmässige neue Herausforderungen on und off-the-job an. Sie will in ihrem Fachbereich und weiteren Interessengebieten immer up-to-date sein. Sie interessiert sich nicht für Standard-Weiterbildungsangebote, sondern für die neuesten Themen, welche in verschiedenen Lernformaten angeboten werden. Sie konsumiert Lerninhalte oft privat, ohne dass die Arbeitgeberin davon weiss.
Der Career Relauncher: Er hat die Familienplanung abgeschlossen, die Kinder sind eingeschult. Seine Karriere ist in den letzten Jahren etwas eingeschlafen. Er stellt sich die Frage, wie er die Karriere nochmals lancieren kann – indem er im angestammten Job wieder up-to-date ist oder sich für einen nächsten Karriereschritt vorbereitet. Weder ein Wechsel in eine neue Funktion innerhalb des Unternehmens noch eine Entwicklung aus dem Unternehmen hinaus sowie die dazugehörige Skill-Entwicklung werden von seiner Arbeitgeberin systematisch unterstützt.
Plädoyer für Individualisierung
In allen Jobfunktionen sind sehr unterschiedliche Menschen tätig. Sie haben vielleicht den gleichen Job, aber nicht die gleichen Voraussetzungen, persönlichen Situationen oder Ambitionen. Modernes Re- und Upskilling ist individualisiert und trägt diesen Unterschieden Rechnung.
Der Erfolg einer Weiterbildungsmassnahme hängt auch nicht primär von der Qualität des Lernangebots ab. Viel wichtiger ist, dass die Mitarbeitenden zum Lernangebot und zum Lernformat passen, d.h., ihre aktuelle Lebenssituation, das Skill-Profil, die Ziele und der Lern- und Arbeitsstil mit dem Lernangebot abgedeckt werden. Nur dann ist wirksames Lernen möglich.
Individuen haben sich in der Vergangenheit auf wenige formale Weiterbildungen und interne Angebote konzentriert. Neu werden sie sich ein Lernprogramm zusammenstellen, welches aus einem Mix aus formalen Weiterbildungen, kurzen Seminaren, Events und Coachings besteht. Statt one-size-fits-all-Angebote zu konsumieren, suchen sie sich die Inhalte und Anbieter zusammen, die für sie relevant sind.
Die heutige Skill-Entwicklung muss daher individueller und aus der persönlichen Ausgangslage, den persönlichen Zielen und dem (Lern-)Typ abgeleitet sein. Dazu braucht es einen breiten Zugang zu ganz vielen verschiedenen Lernformaten, den Austausch mit Peers und die Unterstützung im Matching zwischen dem Individuum und passenden Lernangeboten.
Unternehmen sollten ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen. Eine individuelle Weiterbildungsberatung ist für viele Unternehmen aus Know-how- und Ressourcengründen nicht mehr machbar. Sie bleibt aber enorm wichtig für ein erfolgreiches Re- und Upskilling und die Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit von Mitarbeitenden und ihrem Unternehmen. Im Markt entstehen derzeit neue Möglichkeiten für Unternehmen und Individuen, dies effizient umzusetzen.
(Dieser Beitrag wurde in der Ausgabe Dezember 2021 / Januar 2022 des Fachmagazin personalSCHWEIZ publiziert)
Bist du interessiert an unseren Lösungen für Unternehmen?