Aktuell geniessen wir alle die Lockerungen nach dem Lockdown. Wir können wieder einkaufen gehen, auch wenn wir Abstand halten wollen und müssen. Damit verbunden ist auch die Möglichkeit, Waren zu betrachten, zu probieren und sich eventuell beraten zu lassen.
Doch wie war das in der Krise, als am 16. März alle Läden und Märkte geschlossen wurden? Plötzlich bekam die Online-Schiene im Handel ein grosses Gewicht. Weil der Einkauf lokal nicht mehr möglich war, erfolgte das Aussuchen und Bestellen über das Internet. Und das oft bei internationalen Grosskonzernen.
Jene Unternehmen, die sich schon früh um den Online-Vertriebskanal gekümmert haben, waren klar im Vorteil. Andere begannen – mehr oder weniger hektisch – an solchen Optionen zu arbeiten. Die Krise wurde als Anschub für die Digitalisierung gesehen und Plattformen boten ihre Dienste an, sodass ein schneller Aufbau einer Auslage im Internet für viele Firmen möglich wurde.
Doch ist eine Krise wirklich ein guter Katalysator für die Digitalisierung bzw. eine strategische Weiterentwicklung unter Nutzung der IT-Möglichkeiten der heutigen Zeit? Die einfache Antwort lautet: Nein. Änderungen und Anpassungen unter Druck sind grundsätzlich nicht gut. Wenn jedoch zusätzlich die weiterführende Strategie fehlt, kann es maximal eine Überbrückung für kurze Zeit sein, die unter solchen Umständen «gebastelt» wird. Aber auch hier treten oft schon die ersten Probleme auf.
Wer nicht darauf eingerichtet ist, kann nicht in kurzer Zeit die gesamten Prozesse umstellen und beispielsweise von der klassischen Abholung im Ladengeschäft zum Versand wechseln. Dazu fehlen das entsprechende Know-How, der Marktüberblick über mögliche Partner und Dienstleister und das Preisgefüge. Auch sind einige Fragen ungeklärt: etwa, welche Konditionen bezüglich Versandkosten und Dauer im Internet-Shop gelten sollen, wie mit Retouren umzugehen ist und welche Rechte die Endkunden haben.
Wenn uns die Krise etwas gezeigt hat, dann wohl nicht, dass man leicht und mit hoher Geschwindigkeit digitalisieren kann, sondern, dass sich die Unternehmen mit den Potentialen der modernen IT auseinandersetzen und Strategien entwickeln müssen. Und zwar Geschäftsstrategien und nicht nur reine IT-Strategien. Oder noch klarer gesagt: Digitale Geschäftsstrategien mit einer umfassenden Nutzung von technischen Hilfsmitteln im jeweiligen Unternehmenskontext müssen erstellt werden.
Dazu gehören einerseits Kenntnisse der eigenen Produkte sowie Kunden bzw. Märkte und vor allem die Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse, die für die Erfüllung der Kundenwünsche notwendig sind. Erst eine solide Basis ermöglicht dann flexibles Handeln und Erweitern und Anpassen dieser Prozesse. Andererseits müssen die IT-Systeme bekannt, ordentlich aufgebaut und die Datenqualität ausreichend hoch sein, damit auch hier eine Flexibilität möglich ist. Das heisst, klassische Themen wie Business Process Management (Was machen wir wie?) und Business Information Management (Mit welchen Systemen unterstützen wir die Prozesse?) haben in der Krise wieder Gewicht bekommen und bilden das Fundament des Wandels und der Digitalisierung.